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Fakultät für Physik und Astronomie

Quasiteilchen auf der Oberfläche von Halbleitermagneten entdeckt

20.05.2025

Einem Forschungsteam von ct.qmat ist erstmals der Nachweis von optischen Quasiteilchen auf der Oberfläche eines antiferromagnetischen Quantenmaterials gelungen. Die Ergebnisse wurden bei Nature Materials veröffentlicht.

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Exzitonen leuchten nicht nur im Inneren (blau), sondern auch auf der Oberfläche (rot) eines Halbleitermagnets. Das ist eine Besonderheit der CrSBr-Kristalle. Diese kombinieren eine antiferromagnetische Ordnung mit halbleitenden Eigenschaften und starker Lichtabstrahlung durch exzitonische Quasiteilchen. Dieses außergewöhnliche Quantenmaterial kann für die gezielte Steuerung von Licht durch Magnetfelder genutzt werden. (Bild: think-design / Jochen Thamm)

Alexey Chernikov und sein Team sind auf den Nachweis optischer Quasiteilchen mit ultraschneller Mikroskopie spezialisiert. Jetzt konnten sie gemeinsam mit internationalen Forschenden ein neues Quantenphänomen sichtbar machen: Sie haben leuchtende Quasiteilchen – Exzitonen – auf der Oberfläche eines Halbleitermagneten gefunden. Bislang wusste man nur, dass sie innerhalb solcher Materialien entstehen können. Für ihre Entdeckung untersuchten die Forschenden die nur wenige Atomlagen dünnen Kristallschichten des antiferromagnetischen Quantenhalbleiters Chromium-Sulfid-Bromid (CrSBr). Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Nature Materials veröffentlicht.

Quasiteilchen in Halbleitermagneten

Nur wenige Atomlagen dünn sind die Quantenmaterialien, die Alexey Chernikov – Professor für Ultraschnelle Mikroskopie und Photonik des Exzellenzclusters ct.qmat der Universitäten Würzburg und Dresden – und sein Team häufig untersuchen. Dabei im Fokus: die Erforschung leuchtender Quasiteilchen. Ein solches Quasiteilchen entsteht, wenn ein Lichtimpuls ein Elektron anregt und dabei ein positiv geladenes „Loch“ hinterlässt. Elektron und Loch ziehen sich gegenseitig an und verhalten sich gemeinsam wie ein neues, eigenständiges Teilchen.  Die sogenannten Exzitonen können die Aufnahme und Abstrahlung von Licht sowie die Leitung von Energie und Quanteninformationen entscheidend mitbestimmen. Sie werden unter anderem auch als Lichtspeicher diskutiert.

Üblicherweise findet man Exzitonen in nicht-magnetischen Materialien, da Magnete meistens metallisch sind und keine stabilen Exzitonen ausbilden können. Nicht so im antiferromagnetischen Quantenhalbleiter Chromium-Sulfid-Bromid (CrSBr), den das internationale Forschungsteam untersucht hat. Das Besondere an diesem Quantenmaterial ist die Kombination einer magnetischen Ordnung mit halbleitenden Eigenschaften. Zudem sind die einzelnen Kristallschichten nur schwach über die sogenannte van-der-Waals-Bindung gebunden und können dadurch auch als ultradünne Schichten bis zu einer Dicke von nur wenigen Atomen hergestellt werden. Die magnetischen Momente einzelner Schichten – die Spins – sind bei tiefen Temperaturen entgegengesetzt ausgerichtet. Die Struktur leuchtender Exzitonen hängt von dieser magnetischen Ordnung ab, so dass Lichtaufnahme und -abstrahlung mithilfe magnetischer Felder präzise manipuliert werden können.

Exzitonen aufgezeichnet

Um die Quasiteilchen sichtbar zu machen, nutzen die Forschenden um Chernikov optische Methoden. Damit können sie Exzitonen in einzelnen Atomlagen sehen, die weniger als ein Nanometer dünn sind. Ein Nanometer ist der Millionste Teil eines Millimeters – nur ein wenig größer als der Abstand zwischen zwei Atomen. „Im Labor haben wir aber Exzitonen gesehen, die nicht nur tief im Material existieren, sondern auch auf seiner Oberfläche. Das war ein wichtiger Schritt für das Verständnis dieser spannenden und ungewöhnlichen Quantenstrukturen. Weil die Oberflächen-Exzitonen das Licht mit einer etwas anderen Farbe reflektieren und abgeben als die Quasiteilchen im Inneren des Materials, konnten wir sie gezielt ansteuern“, sagt Prof. Chernikov, der am ct.qmat-Standort Dresden arbeitet. „Der Impuls, Oberflächen-Exzitonen zu suchen, entstand in Gesprächen mit einem Kollegen der Universität Regensburg, der an diesem Projekt beteiligt ist. Das Material selbst wurde gleichzeitig in Dresden und New York untersucht, mit unterschiedlich hergestellten Proben und verschiedenen Messapparaturen. Wir haben aber die gleichen Ergebnisse bekommen, das spricht für eine hohe Reproduzierbarkeit. Das freut mich besonders!“

Leuchten auf der Oberfläche

Exzitonen können entstehen, wenn Photonen auf ein halbleitendes Material auftreffen. Die Quasiteilchen nehmen das Licht auf, speichern dessen Energie und können sich durch die Materialschicht bewegen. Wenn sie sich auflösen, geben sie die Energie als Licht wieder ab. „Exzitonen sind gerade für optische Eigenschaften von Nanomaterialien extrem wichtig“, betont Dr. Florian Dirnberger, ehemals als Projektleiter in Dresden an der jetzt veröffentlichten Entdeckung beteiligt, mittlerweile Leiter einer Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe an der TU München. „Exzitonen kennt man schon seit vielen Jahrzehnten. Aber erst in den letzten vier Jahren hat die Materialphysik entdeckt, welches Potenzial die Quasiteilchen haben, wenn sie in magnetischen Kristallen gezielt erzeugt werden. Dann können sie zusätzlich zur Energie auch Informationen speichern und transportieren, diese aber auch als Licht wieder abgeben. Die Erforschung der exotischen Quasiteilchen steht zwar noch am Anfang, könnte aber künftig die Basis für neuartige Technologien sein, die Photonik und Magnetismus verbinden. Unsere Ergebnisse sind ein wichtiger Beitrag in diesem Feld“, so Dirnberger.

Internationaler Erfolg

Das Forschungsprojekt ist eine Kooperation internationaler Forschungseinrichtungen mit Beteiligung von Wissenschaftler:innen aus den USA, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und Tschechien. Durch die Kombination von optimierter Materialsynthese, hochsensitiver Spektroskopie und komplexer Vielteilchentheorie konnte die Struktur leuchtender Quasiteilchen in neuartigen Halbleitermagneten erforscht werden. Die Erkenntnisse sind sowohl für das grundlegende Verständnis magnetischer Materialien als auch für technologische Entwicklungen auf diesem Gebiet bedeutend.

Exzellenzcluster ct.qmat

Das Exzellenzcluster ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter (Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien) wird seit 2019 gemeinsam von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und der Technischen Universität (TU) Dresden getragen. Mehr als 300 Forschende aus über 30 Ländern und von vier Kontinenten erforschen topologische Quantenmaterialien, die unter extremen Bedingungen wie ultratiefen Temperaturen, hohem Druck oder starken Magnetfeldern überraschende Phänomene offenbaren. Das Exzellenzcluster wird im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert – als einziges bundeslandübergreifendes Cluster in Deutschland

Publikation

Magnetically confined surface and bulk excitons in a layered antiferromagnet, Y. Shao, F. Dirnberger, S. Qiu, S. Acharya, S. Terres, E. J. Telford, D. Pashov, B. S. Y. Kim, F. L. Ruta, D. G. Chica, A. H. Dismukes, M. E. Ziebel, Y. Wang, J. Choe, Y. J. Bae, A. J. Millis, M. I. Katsnelson, K. Mosina, Z. Sofer, R. Huber, X. Zhu, X. Roy, M. van Schilfgaarde, A. Chernikov, and D. N. Basov, Nat Mater. 24, 391–398 (2025). DOI: 10.1038/s41563-025-02129-6

Kontakt

Prof. Dr. Alexey Chernikov, Institut für Angewandte Physik, Technische Universität Dresden, Tel.: +49 351 463 336439, alexey.chernikov@tu-dresden.de

Katja Lesser, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Würzburg-Dresdner Exzellenzcluster ct.qmat, Tel.: +49 351 463 33496, katja.lesser@tu-dresden.de

Von Katja Lesser

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