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Faculty of Physics and Astronomy

Die Lichter der Nacht zählen

08/20/2021

In Würzburg startet ein Bürgerwissenschaftsprojekt: Im September und Oktober können Freiwillige Art und Ausmaß der künstlichen Beleuchtung in der Stadt kartografieren. Eigens dafür wurde eine App entwickelt.

„Wir zählen Lichter, weil die Nacht zählt“: Unter diesem Motto will ein Projekt der Bürgerwissenschaft Art und Ausmaß der Lichtquellen in zwei Würzburger Stadtteilen ergründen.
„Wir zählen Lichter, weil die Nacht zählt“: Unter diesem Motto will ein Projekt der Bürgerwissenschaft Art und Ausmaß der Lichtquellen in zwei Würzburger Stadtteilen ergründen. (Image: Jan Weichhold / Universität Würzburg)

Das öffentliche Bewusstsein für Lichtverschmutzung und für die gesundheitlichen und ökologischen Wirkungen von künstlichem Licht ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Dennoch beleuchten die Menschen ihre Umgebung immer stärker. Das zeigen Satelliten- und Luftaufnahmen der Erde bei Nacht.

Was die Aufnahmen nicht zeigen ist, welche Lichtquellen am Boden die bis in den Orbit sichtbaren Lichtemissionen verursachen. Um diese Datenlücke zu schließen, hat ein Team des Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ die App „Nachtlichter“ entwickelt.

Mit der App lassen sich künstliche Lichtquellen am Boden erstmals systematisch erfassen und kartieren. Im September und Oktober 2021 kommt die App nun in Würzburg zum Einsatz – in einer groß angelegten bürgerwissenschaftlichen Messkampagne.

Organisation durch Promovierende der JMU

„Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, sich am Nachtlichter-Zählen zu beteiligen und so wertvolle wissenschaftliche Daten zu generieren“, sagen Katharina Leiter und Marcus Langejahn, die das Projekt in Würzburg organisieren. Beide promovieren am Lehrstuhl für Astronomie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg zum Thema Röntgenemission entfernter aktiver Galaxienkerne.

Die Motivation der zwei JMU-Forschenden: „Die Leute lassen sich so einfach für Astronomie begeistern! Aber der aufgehellte Nachthimmel in Städten vermindert mehr und mehr unseren persönlichen Bezug zum Thema. Wir finden es großartig, dass wir mit dem Projekt helfen können, das Bewusstsein für den Wert des Nachthimmels und für eine nachhaltigere Beleuchtung zu schärfen.“

Erste Auftaktveranstaltung am Freitag, 27. August

In Würzburg werden die Bürgerwissenschafts-Teams im September und Oktober nach Einbruch der Dunkelheit ausschwärmen. Mit der Nachtlichter-App werden sie im Frauenland und der Altstadt alle Lichtquellen entlang definierter Straßen erfassen. Diese Kampagne findet im Rahmen des Wissenschaftsfestivals „Highlights der Physik“ statt.

Die Auftaktveranstaltung zur Würzburger Nachtlichter-Kampagne findet per Online-Meeting statt, und zwar am Freitag, 27. August 2021, sowie am Dienstag, 31. August 2021.

Der Inhalt beider Meetings ist gleich: Die Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftler erhalten in einem kurzen Online-App-Training alle Informationen, die sie zum Mitforschen brauchen. Mitmachen können alle, die einen abendlichen Spaziergang mit Bürgerwissenschaft verbinden möchten.

Sobald die Kampagne abgeschlossen ist, wird das GFZ Potsdam die Daten auswerten und mit Satellitendaten der Messgebiete abgleichen. Im Austausch mit allen Projektbeteiligten sollen schließlich die Daten, Erkenntnisse und Erfahrungen für alle zugänglich veröffentlicht werden.

Kontakt

Katharina Leiter und Marcus Langejahn (Lehrstuhl für Astronomie der Uni Würzburg), Nachtlichter Würzburg, E-Mail: nachtlichter@physik.uni-wuerzburg.de

Weblinks

Website und unverbindliche Anmeldung zum Mitmachen, Newsletter der Nachtlichter-Kampagne Würzburg: https://nachtlichter-wue.mailchimpsites.com/

Vertiefende Informationen zum Nachtlichter-Projekt: https://nachtlicht-buehne.de/nachtlichter

Hintergrund

Lichtemissionen besser verstehen

Die webbasierte Nachtlichter-App ermöglicht es, unterschiedlichste Lichtquellen auf öffentlichen Straßen und Plätzen sowie ihre Helligkeit, Farbe und Abstrahlwinkel zu erfassen – von der Straßenlaterne und Schaufensterbeleuchtung bis hin zu Leuchtreklamen und Lichterketten.

Solch umfassende Daten gibt es bislang nicht. Forschende können lediglich auf Informationen über die öffentliche Beleuchtung von Städten und Kommunen zurückgreifen, wenn sie die Ursachen von Lichtverschmutzung verstehen wollen.

„Straßenbeleuchtung macht aber nur den geringeren Teil der Lichtemissionen von Städten aus“, erklärt Dr. Christopher Kyba vom GFZ. Der Physiker erforscht seit Jahren das Ausmaß und die Zunahme von künstlicher Beleuchtung bei Nacht mittels bildgebender Verfahren wie Foto- und Satellitenaufnahmen. Um diese Fernerkundungsdaten besser interpretieren zu können, hat er das Bürgerwissenschaftsprojekt und die Nachtlichter-App ins Leben gerufen.

Nachhaltigkeit, die übers Energiesparen hinausgeht

Kritisch zu prüfen, welche Lichtquellen die Nacht erhellen und zu welchem Zweck, wird zunehmend zu einer Nachhaltigkeitsfrage, die über das Energiesparen hinausgeht.

„Außenbeleuchtung ist zu oft zu viel, in ungünstigen Lichtfarben und Mengen schlecht installiert. Statt nur dort hinzuleuchten, wo Licht gebraucht wird, strahlt das Licht in alle Richtungen, blendet Menschen und stört den Tag-Nacht-Rhythmus der Tier- und Pflanzenwelt im Umkreis mehrerer Kilometer“, kritisiert Sabine Frank. Die Nachtschutzbeauftragte des Landkreises Fulda und des Biosphärenreservats Rhön war aktiv an der App-Entwicklung beteiligt. Sie wird Anfang September eine Nachtlichter-Kampagne in Fulda durchführen.

Das bürgerwissenschaftliche Engagement hat auch interessante Nebeneffekte. „Schon bei der Entwicklung der App haben wir festgestellt, dass das Nachtlichter-Zählen eine bewusstseinserweiternde Wirkung auf uns hat. Viele von uns waren erstaunt, wie viele verschiedene Lichter dort draußen in unterschiedlichen Farben und Formen strahlen,“ berichtet Dr. Nona Schulte-Römer, die das Projekt am GFZ sozialwissenschaftlich begleitet.

Nachtlichter über Würzburg hinaus

Parallel zur Kampagne in Würzburg finden deutschlandweit und auch im Ausland Nachtlichter-Zählungen statt. In Deutschland laufen die Vorbereitungen in Bochum, Dresden, Erlangen, Fulda, Potsdam, in Preußisch-Oldendorf bei Detmold und in der Gemeinde Westensee bei Kiel. Im Ausland sind Kampagnen in Irland, Spanien, Kanada und Italien geplant. Wer mitforschen möchte, aber nicht in der Nähe einer Nachtlichter-Kampagne wohnt, hat die Möglichkeit, die App individuell zu nutzen.

Die App-Entwicklung und die Kampagnen sind Teil des Pilotprojekts Nachtlicht BüHNE (Bürger-Helmholtz-Netzwerk für die Erforschung von nächtlichen Lichtphänomenen), das von der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren gefördert wird. Im Rahmen des Projekts ist auch eine App zur Dokumentation von Feuerkugeln am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum DLR in Jena entstanden.

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By Robert Emmerich

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